Über Erwartungen und Disziplin

Es ist sicherlich von Vorteil, wenn du weißt, was du willst. Und wenn du dir auch noch bewusst bist, was du kannst, was in dir steckt, bist du sogar noch einen Schritt weiter. Doch kann es auch geschehen, dass du dich in dem „ich weiß, was ich will“ selbst verlierst. Dich darin gefangen hältst. Denn du verwendest so viel Kraft und Energie darauf, mit allen Mitteln genau dabei zu bleiben. Bei diesem Einen. Bei deinem persönlichen Konstrukt. Deinem Modell. Deinem Entwurf von der Welt. So bist du dir selbst doch auch treu. Absolut. Ohne wenn und aber.

So funktioniert das Leben doch, oder nicht?

Dein „ich weiß genau, was ich will“ ist dann allerdings nur noch eine sture Erwartungshaltung. Du verkrampfst dich. Klammerst dich an Vorstellungen, wie du die Dinge gerne hättest. Wie sie gefälligst zu sein haben. Ohne jeden Spielraum. Unflexibel und starr. Wir leben in einer Welt der schnellen Lösungen, denn alles soll am besten höher, schneller, weiter und effektiver sein als es schon ist. Und es gibt so viele Möglichkeiten, Theorien und Ansätze. Auch Überzeugungen.

Unsere Welt ist besessen davon, zu optimieren. Nichts scheint genug oder einfach gut so wie es ist zu sein.

Denn das ist zuallererst sehr profitabel. Und genau deshalb wünschen wir klare Regeln, strikte Abläufe und Anweisungen. Wir fordern – den Lohn für unsere Mühen und vor allem für die Disziplin. Ob du tatsächlich jenseits von Bankkonten – und meist ist es nicht das eigene – davon profitierst, stelle ich in Frage. Doch die offenen Fragen sind so unerträglich, dass wir versucht sind, die Antworten und Lösungen weiter in der Klarheit zu suchen und hoffentlich auch umgehend zu finden. Und Klarheit ist für unseren Verstand die Struktur. Kontrolle ist der Schlüssel, flüstert er uns ein.

Denn das ist der einzige Weg, der für ihn denkbar ist. Immerhin ist das doch auch logisch. Und so strukturieren wir uns mit unserem Verstand die Welt und das Leben. Rastern alles durch. Clustern. Schlüsseln auf. Erstellen Tabellen, Diagramme, Formeln, Wachstumskurven und Maßnahmenkataloge. Analysieren. Studieren. Sortieren nach strengen Regeln, denn so geht es schneller. Zumindest ist das die Hoffnung.

Disziplin trägt aber immer auch Härte in sich. Und Härte ist der kleine Bruder der Gewalt. Und je härter wir werden, vor allem uns selbst gegenüber, umso mehr entfernen wir uns. Von jeder Erkenntnis. Sind letztlich entfremdet, innerlich nicht nur angespannt. Sondern verspannt und damit auch verzerrt. Verhärtet und verhärmt. In unserer Sicht. In unserer Wahrnehmung. Und zu fühlen ist dabei nicht drin. Nicht mehr. Aber es lohnt sich, säuselt der Verstand. Gefühlsduselei bringt uns nicht weiter. Denn Struktur ist der Schlüssel, das ist doch ganz klar. So wird das Leben zum K(r)ampf und der kostet zu Recht Mühe, denn nur so können wir unsere ganz persönliche BeLohnung erwarten.

Oder etwa nicht?

Was wäre, wenn du auf dem Holzweg bist? Wie wäre das? Wenn diese Haltung, die du mit so viel (Nach-)Druck und Disziplin aufgebaut hast, ein Trugschluss ist? Eine Illusion. Eine Täuschung. Wundere dich nicht, wenn du enttäuscht bist, weil deine rational durchkalkulierte Rechnung einfach nicht aufgeht. Du feststeckst. Und dich ärgerst. Aber am besten dann nur im Außen, weil du es nicht ertragen kannst, dass der Fehler in deinem eigenen System stecken könnte. Obwohl es eigentlich stets eine Offenbarung ist, ent-täuscht zu sein. Und die Chance zu wachsen. Dem Licht entgegen. Wie das jede Pflanze weiß.

Es ist so einfach.

Härte ist nicht Stärke. Wille ist nicht Disziplin. Klarheit ist nicht Klärung. Wissen ist nicht Erkennen. Erwarten ist nicht Erfahren. So wie Symptome nicht die Lösung sind. Weichheit ist der Weg. Also entspanne dich. Gebe dich hin. Sinke aus dem Kopf ins Herz. Lasse los und damit zu. Hör auf, alles kontrollieren und fest im Griff haben zu wollen. Du schadest dir nur selbst. Du tust dir unermesslich weh, je länger und verbissener du dich festklammerst, an dem, wie die Dinge deiner Ansicht nach zu sein haben. Und wenn du nicht auf dich Selbst hören willst, lässt dich am Ende womöglich dein Körper fühlen.

Auf dass du endlich erkennst. Dich erinnerst. Und wieder lieben lernst.

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